Sigrid Vogel   
Konzeptidee

In diesem Pädagogischen Projekt mit weiterführenden Schulen geht es um regionales, authentisches Lernen in der Nahwelt der Schulen am Karstwanderweg im Südharz.

Wegpatenschaften von 22 Schulen wurden für 6 Wegabschnitte des Karstwanderwegs eingerichtet und Kooperationen mit den zugehörigen Vereinen der Arge Karstwanderweg Südharz Drei Länder – Ein Weg geschlossen:

 
Wegabschnitt I: Bad Grund – Osterode – Herzberg
Wegabschnitt II: Düna – Herzberg – Rhumspringe - Scharzfeld
Wegabschnitt III: Scharzfeld – Barbis – Bad Lauterberg – Osterhagen
Wegabschnitt IV: Osterhagen - Bad Sachsa – Walkenried
Wegabschnitt V: Walkenried – Ellrich – Nordhausen
Wegabschnitt VI: Nordhausen – Sangerhausen – Pölsfeld

Wegpartnerschaften von Schulen zu Schulen am Karstwanderweg bahnen sich an. Die Schulen dieses schulformübergreifenden „Schulverbunds“ beabsichtigen, ihren Schülern regelmäßig einen besonderen, ihren Wegabschnitt betreffenden Lerngegenstand nahe zu bringen. Dieser sollte idealer Weise folgende Bedingungen erfüllen:

  • er repräsentiert Besonderheiten des Wegabschnitts
  • er ist Teil des Kerncurriculums bzw. des verbindlichen Lehrplans
  • er betrifft nicht nur ein Schulfach, z.B. Erdkunde, damit Zusammenhänge verdeutlicht werden
  • er wird außerschulisch auf dem Karstwanderweg sinnfällig erfahr- und begreifbar (gemacht).

Die Projektidee folgt u.a. Gerhard de Haan1, der Unterrichtseinheiten der Fächer oft abstrakt findet und demgegenüber fächerverbindende und jahrgangsübergreifende Projekte zur Nachhaltigkeit von Bildung fordert. Insofern entspricht das pädagogische Projekt den Leitlinien der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005-2014)2.
Die punktuelle Überwindung der Fächer taucht immer wieder in der Diskussion über sinnvolles schulisches Lernen auf. Sie steht allerdings in einer Zeit hastiger Verdichtung von Lernereignissen aufgrund von Standardisierung und den dazugehörigen Tests bzw. Leistungsnachweisen nicht im Fokus pädagogischer Betrachtungen. Ihr prinzipieller Wert steht gleichwohl nicht in Frage, denn dem Lernenden liegt die Welt normalerweise nicht schulisch-fachlich gegliedert vor.

Ziele des pädagogischen Projekts

  1. Bildungsverantwortliche konkretisieren eine Pädagogik des „ortsbasierten Lernens“3 sowie eine Didaktik der „Fächer im Kontext“ die Kindern und Jugendlichen nicht nur virtuell, sondern in der unmittelbaren Umgebung auch haptisch erfahrbar machen, dass und wie vieles mit vielem zusammenhängt4.

  2. Die Schülerinnen und Schüler erfahren an dem Kristallisationspunkt „Karstwanderweg“ sinnfällig die Vernetzung der Welt.
  3. Die Schülerinnen und Schüler machen sich aktiv mit ihrer „Nahwelt“5 und deren Geologie, Natur, Wirtschaft, Geschichte usw. vertraut und engagieren sich lokal und sozial.
Mögliche Projekte (einige sind inzwischen erfolgreich durchgeführt worden):

Projekte mit ökologischem Schwerpunkt:

  • Schülerinnen und Schüler erstellen als Umweltreporter Beiträge für lokale Radiosender und stellen Kontakte zu Unternehmen und möglichen Arbeitgebern her6
  • Schülerinnen und Schüler unterstützen kooperativ die ArGe Drei Länder - Ein Weg Karstwanderweg Südharz bei Pflege und Instandhaltung der Naturdenkmale, Brücken und Furten
  • Schülerinnen und Schüler begegnen den Besonderheiten der regionalen Tier- und Pflanzenwelt
  • Schülerinnen und Schüler pflegen und verantworten ein Stück Natur, - cool und engagiert
  • Schülerinnen und Schüler stellen zu Park-Rangern (Geopark) und Scouts Kontakt her und halten ihn.
Projekte mit sozialem und wirtschaftlichem Schwerpunkt:
  • Schülerinnen und Schüler wandern mit und ohne Gepäck in der Gruppe
  • Schülerinnen und Schüler werden Peer-Wanderführer auf ihrem Wegeabschnitt
  • Schülerinnen und Schüler vertreten aktiv die Sache des Karstwanderwegs und der Südharz-Region als Botschafter ihres Wegeabschnitts
  • Schülerinnen und Schüler machen Praktika in Firmen und Institutionen am Karstwanderweg
  • Schülerinnen und Schüler bewerben sich bei Wirtschaftsunternehmen am KWW
  • Schülerinnen und Schüler machen im Biosphärenreservat ein „freiwilliges ökologisches Jahr“.
Projekte mit kreativ-ästhetischem Schwerpunkt:
  • Schülerinnen und Schüler inszenieren faszinierende Mitmach- und Bildungsgelegenheiten, z.B. spielen Theater (etwa „Das letzte Einhorn“, „Flucht von Burg Scharzfels“, „Das letzte Kind im Wald?“7),
  • Schülerinnen und Schüler bieten „Gipsabgusskurse“ an (mit Kostenbeitrag)
  • Schülerinnen und Schüler stellen in Schulfirmen oder Workshops für den privaten oder öffentlichen Gebrauch Gipsgegenstände her, z.B. Gipsabdrücke, Medaillons, Gemmen (Tourismus), Gipsköpfe für Vogelscheuchen der Bauernhöfe am Karstwanderweg
  • Schülerinnen und Schüler bauen einen Gipsbrunnen und verantworten die fotografische Dokumentation seiner Veränderungen und seine Präsentation im Internet.
Nutzen des pädagogischen Projekts für die sich beteiligenden Schulen

Der besondere Wert des von dem thematischen Kristallisationspunkt Karstwanderweg her gedachten Vorhabens „Karstwanderweg – Bildungsperlen für nachhaltiges Lernen“ für die Schulen besteht darin, Schülerinnen und Schüler mit Hilfe der Wegpatenschaft für geologische Gegebenheiten und deren Auswirkungen auf das regionale Leben zu sensibilisieren. Es bietet die Chance, durch eine in der Kindheit und Jugend erfahrene Nähe die einzigartigen regionalen Besonderheiten einer eher strukturschwachen Region wertzuschätzen, sich also mit der Region zu identifizieren und sich für sie und das Gemeinwohl zu engagieren. Des Weiteren werden den Schülerinnen und Schülern über die theoretische Analyse von Naturphänomenen8 hinaus Naturerfahrungen ermöglicht.

Ein Image-Mehrwert dieses besonderen Schulverbunds besteht darin, dass schulformübergreifend drei Bundesländer sichtbar gemeinsam wirken, dass, im Zeichen rückgängiger Schülerzahlen, auf Projektangebote der Nachbarschulen zurückgegriffen werden kann und dass mit den Leitvorstellungen Einbindung statt Ab- und Ausgrenzung - Kooperation statt Konkurrenz eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten entsteht.

„Raus aus der Schule, rauf auf den Weg!“ ist das Motto für „Der Karstwanderweg – Bildungsperlen für nachhaltiges Lernen“.


1 Der Zukunftsforscher an der FU Berlin und Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees der UN-Dekade zur "Bildung für nachhaltige Entwicklung" fordert, schulische Umweltbildung sollte in fächerübergreifend, handlungsorientiert und binnendifferenziert angelegten Vorhaben stattfinden (vgl. Gerhard de Haan / Dorothee Harenberg, Nachhaltigkeit als Bildungs- und Erziehungsaufgabe, 2003, S. 8; www.ibw.uni-hamburg.de/GInE/Literatur/Haan-Harbg.pdf).

2 Deutschland will auch nach deren Abschluss die Arbeit der UNESCO in diesem Bereich weiter unterstützen.

3 Verlegung des Unterrichts in die Umgebung der Schulen, einschließlich der Natur.

4 Die Verbindung zwischen den technischen Möglichkeiten der Darstellung der Welt (z.B. mit Hilfe von Google Earth, GPS fähigen Geräten, APPs mit Augmented Reality) und den sensuellen Eindrücken der Einprägung von Welt (Erkundung durch Er-Wandern, Er-Fahren, Er-Leben, Geocaching) entspricht der derzeitigen Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen.

5 Vgl. Bausinger, Hermann, Heimat und Identität. In: Köstlin, Konrad; Bausinger, Hermann (Hrsg.): Heimat und Identität. Probleme regionaler Kultur. Kiel 1980, S. 9 – 24

6 Möglicher Weise trägt dies zur Arbeitskräfterekrutierung in der eher strukturschwachen Gegend des Südharzes bei.

7 Vgl. Louv, Richard, Das letzte Kind im Wald? Geben wir unseren Kindern die Natur zurück. Mit einem Vorwort von Gerald Hüther. Weinheim und Basel (Beltz) 2011.

8 Viele Kinder fühlen sich fremd in der Natur, weil ihre Eltern absolute Sicherheit wollen. Tanjev Schultz (SZ Nr. 295, Dienstag, d. 21.12.2010) berichtet über eine Sonderstudie zur PISA-Studie 2010: „Klimawandel im Klassenzimmer – Deutsche Jugendliche kennen sich im internationalen Vergleich gut in ökologischen Fragen aus, doch mit der Natur sind sie noch immer unzulänglich vertraut“. Demnach liegen deutsche Jugendliche hinter Finnland und Kanada auf Platz 3 in ihrem Naturwissen, es handelt sich also eher um theoretische Kenntnisse als um konkrete Naturerfahrungen.
 

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