Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstforscher
60 (1)
13-17
München 2014

Das Munitionswerk „Kiefer“ am Pfingstanger in Herzberg am Harz – eine Rüstungsaltlast in der Südharzer Karstlandschaft

von
FRIEDHART KNOLLE

Kurzfassung
Der Boden der Rüstungsaltlast „Werk Kiefer“ in Herzberg am Harz ist partiell hochgradig mit sprengstoffspezifischen Rückständen belastet. Der Standort befindet sich in der Südharzer Sulfatkarstlandschaft – von hier gelangen die Umweltgifte ungehindert in den Untergrund und belasten das Pöhlder Becken. Diese Situation ist den zuständigen Behörden spätestens seit 1987 bekannt, aber ein Rechtsstreit behindert die Sanierung.

Abstract
The soils of the former WW II ammunition filling site „Werk Kiefer“ situated in Herzberg am Harz, Lower Saxony, are partially heavily contaminated by nitroaromatic compounds and related explosives decay products. The site is part of the South Harz sulphate karst landscape – from here the toxic compounds percolate without any geological barrier into the karst system and finally into the Pöhlde karst basin. This situation is known in detail at least since 1987 to all authorities, but legal controversies are blocking the remediation.

Résumé
Le sol des décharges désaffectées de l’armement de l’usine „Werk Kiefer“ à Herzberg/basse Saxe est en partie fort pollué par les résidus de matière explosive. L’endroit se trouve dans le site du karst sulfaté du karst du sud – c’est d’ici que les polluants toxiques parviennent sans être empêchés dans le sous sol ou ils polluent la cuvette Pöhlder Becken. Depuis 1987 la situation est bien connue par les autorités administratives, mais un litige bloque l’assainissement.

Rüstungsaltlast der NS-Zeit in der Sieberaue im Südharz
Am Fuße des berühmten Fachwerkschlosses zu Herzberg am Harz (Landkreis Osterode am Harz) befindet sich im Siebertal im Bereich des heutigen Bauhofs der Stadt der sog. Pfingstanger. Nach MOLDE (1998) lässt sich die Geschichte der gewerblichen Nutzung des Standortes bis weit in das 18. Jh. zurückverfolgen. So wurde 1739 - 1876 eine Gewehrfabrik, zu Beginn des Jahrhunderts bis 1914 eine Baumwollbleicherei und während des 1. Weltkrieges Kriegsproduktion betrieben. 1919 - 1930 war auf dem Gelände eine Kunstseidenspinnerei ansässig, bevor es im Juni 1940 in den Besitz der reichseigenen Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie GmbH überging. Nach umfangreichen Um- und Ausbaumaßnahmen wurde ab Frühjahr 1941 eine Sprengstoff-Füllstelle betrieben. In dieser Tochterfirma der Dynamit Nobel AG (DAG) wurden unter Verwendung von u.a. flüssigem Trinitrotoluol (TNT) und Dinitrobenzol (DNB) Tellerminen und Granaten kleineren Kalibers produziert. Zwischen 1942 und der Produktionseinstellung beschäftigte das Werk mit Schwankungen zwischen 650 und über 900 Männer und Frauen, darunter zahlreiche ausländische Arbeitskräfte und Zwangsarbeiter (BARANOWSKI 1995).


Abb. 1: Bereits auf dem Bauhof der Stadt Herzberg am Harz kündet der Rest eines gesprengten Betongebäudes die Existenz des Werks Kiefer unmissverständlich an; Foto BUND Westharz

Im April 1945 wurde die Munitionsfabrik durch einen Brand, der mehrere gewaltige Explosionen auslöste, fast vollständig zerstört. Es war 6:12 Uhr am Morgen des 4. April 1945, als das Munitionswerk in die Luft flog. Der Herzberger Feuerwehrmann Walter Hoppmann konnte diese Uhrzeit genau belegen: Die Uhr, die er damals trug, war auf 6.12 Uhr stehen geblieben, als er sich aus jenem Feuerlöschteich herausrappelte, in den ihn die Explosionswelle geschleudert hatte. Er zog noch seinen Kameraden Ernst Deppe („Deppen Katz“), der bewusstlos im Wasser lag, mit heraus (HarzKurier 1990). Reproduktionen älterer Bilder zeigen das ehemalige Munitionswerk in Herzberg am Harz wenige Monate nach der Explosion, als erst einige Straßen des Werksgeländes von den Trümmern freigeräumt worden waren (Abb. 2). Bei dem Unglück kamen insgesamt 29 Personen ums Leben, weitere wurden schwer verletzt (BARANOWSKI 1995).


Abb. 2: Das Werk Kiefer nach der Explosion 1945; Archiv Matwijow aus BARANOWSKI (1995)

Die noch vorhandenen Werksanlagen wurden später durch die Alliierten demontiert und anschließend gesprengt. In den Nachkriegsjahren diente das Werksgelände unter anderem als Lieferant für Trümmerbaustoffe und fand auch sonst durch seine Nähe zur Stadt Herzberg am Harz reges Interesse – so nutzte zeitweise eine Holzfaserplattenfabrik die Teiche als Abwasserklärbecken und im Bereich des Sieberufers erfolgte Kiesabbau. Aber auch für zahlreiche ungeordnete Abfallablagerungen bot das unübersichtliche Gelände günstige Voraussetzungen. Nachdem die Stadt Herzberg am Harz 1967 es im Zuge der Errichtung einer neuen Kläranlage erworben hatte, siedelte sich 1969 im Ostteil, dem Kernbereich der ehemaligen Munitionsfabrik, der Städtische Bauhof an, der dort heute noch betrieben wird. Der übrige Teil des Geländes ist heute ungenutzt und gehört zum Naturschutzgebiet Siebertal. Viele Reste der gesprengten Bunkeranlagen sind noch vorhanden, allerdings von akuten Gefahren befreit, denn 1980 war eine Kampfmittelräumung durchgeführt worden (MOLDE 1998).
Soweit die Fakten, wie sie auch vor Ort in Herzberg am Harz bekannt sind und hin und wieder in der Tageszeitung auftauchen. Doch die Geschichte ist komplexer.

Rüstungsproduktion im Dritten Reich
Mit der rechtlichen Konstruktion der NS-Aufrüstung beschäftigte sich das Bundesverfassungsgericht, und zwar auch ganz konkret am Beispiel des Falles der Herzberger Fabrik, die unter dem militärischen Decknamen „Kiefer“ betrieben wurde. Im Urteil 1 BvR 1653/99 vom 8.3.2001 stellte das Gericht fest:
„Ein großer Teil der Rüstungsproduktion des Deutschen Reiches erfolgte nach 1936 im sog. „Rüstungs-Viereck“. Danach erstellte unter anderem die Dynamit AG (DAG) nach einem Mantelvertrag mit dem Deutschen Reich Munitions- und Sprengstofffabriken im Auftrage und auf Kosten des Deutschen Reiches. Nach Fertigstellung wurden die Anlagen an die Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie mbH (Montan-GmbH) veräußert, wobei der Kaufpreis durch das Deutsche Reich erstattet wurde. Anschließend wurden die Produktionsstätten ebenfalls nach einem Mantelvertrag an die jeweiligen Betreiberfirmen verpachtet. Sämtliche Anteile an der Montan-GmbH wurden seit 1934 vom Deutschen Reich gehalten. Die Montan-GmbH war auf Grund von Verträgen mit dem Deutschen Reich aus dem Jahre 1936 und 1941 Treunehmerin des Reiches. Ihr Unternehmenszweck bestand in der Vermögensverwaltung und geschäftlichen Kontrolle der privaten Rüstungsbetriebe im Deutschen Reich. Im Jahre 1949 ging die Montan-GmbH gemäß Art. 134 Abs. 1 Grundgesetz in das Vermögen der Bundesrepublik Deutschland über. Sie erhielt im Oktober 1951 den Namen „Industrieverwaltungsgesellschaft mbH“, die 1987 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um diese Aktiengesellschaft. Sie befand sich bis Ende 1993 in Bundesbesitz, ist danach aber privatisiert worden.


Abb. 3: Das sog. Rüstungsviereck; aus BARANOWSKI (1995)

In Herzberg am Harz betrieb die Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Verwertung chemischer Erzeugnisse (Verwertchemie-GmbH) zwischen 1940 und 1945 eine von der Montan-GmbH gepachtete Fabrik zur Abfüllung von Sprengstoffen. Für die Verwertchemie-GmbH, die eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Dynamit AG war, wurde Anfang 1946 das Liquidationsverfahren eingeleitet. Das Vergleichsverfahren über diese Gesellschaft wurde im September 1952 beendet.
Der Landkreis Osterode am Harz, der spätere Beklagte des Ausgangsverfahrens, nahm die Beschwerdeführerin im Jahre 1992 nach umfangreichen Untersuchungen als Handlungsstörerin wegen der Bodenverunreinigungen im Bereich der ehemaligen Munitionsfabrik in Anspruch.“

Die letzte Passage deutet schon an, dass es hier um ein erhebliches Umweltproblem geht.

Umweltauswirkungen des Werks Kiefer (weitgehend nach MOLDE 1998)
Die ehemalige Munitionsfabrik Herzberg am Harz liegt auf einem schmalen, maximal 200 m breiten und ca. 1,2 km langen Gelände, dem sog. „Pfingstanger“. Es wird im Norden durch das Flussbett der Sieber und im Süden durch die ca. 50 m aufsteigende Schichtstufe des Schlossberges begrenzt. Die Gesamtfläche beträgt ca. 12 ha.
Geologisch ist das Untersuchungsgebiet dem Bereich der Harzrandsenke zuzuordnen, aufgebaut aus den nach Süd-Südwest einfallenden Sedimentfolgen des Zechsteins und des Unteren Buntsandsteins, die von 5 bis über 30 m (im Bereich des Städtischen Bauhofs) mächtigen Aufschüttungen quartärer Lockersedimente bedeckt sind. Das Gebiet ist Teil einer Subrosionssenke, die von Erdfällen durchsetzt ist. Die Sieber durchläuft hier in ihrem Mittellauf eine Versickerungsstrecke, wo sie beträchtliche Wassermengen verliert (SCHMIDT 1979). Der oberflächennahe Porengrundwasserleiter in den kiesigen Niederterrassensedimenten steht über Erdfälle in hydraulischem Kontakt zum Tiefengrundwasser in den verkarsteten Zechsteinserien (JORDAN 1979). Dadurch können oberflächlich in das Grundwasser eingetragene Stoffe rasch in tiefere Stockwerke gelangen und bis in das südlich anschließende Pöhlder Becken transportiert werden, das als Trinkwasserreservoir von herausragender Bedeutung ist (NLfB 1982). Es ist somit von einem Stofftransport vom Standort Herzberg am Harz bis zur Rhumequelle auszugehen. Dieser Zusammenhang wurde bereits von THÜRNAU (1913) durch einen Markierungsversuch mit Uranin nachgewiesen.


Abb. 4: Vulnerabilität der Karstgrundwässer am Süd- und Südwestharz – Übersicht zur Verbindung von Bachschwinden und Karstquellen; aus VLADI (1997)

Der Betrieb zur Herstellung und Weiterverarbeitung von Munition und Munitionsteilen sowie der Umgang mit Sprengstoffen waren nie unproblematisch. Nicht nur der Umgang mit den brisanten Rohstoffen und Endprodukten war gefährlich, auch die Entsorgung kontaminierter Abwässer stellte die damaligen Ingenieure vor ein unlösbares Problem. Während das „Werk Tanne“ in Clausthal-Zellerfeld seine Abwässer in die Bremke leitete und so das Wasser der Leine bis Hannover verunreinigte, führten Abwasserleitungen des „Werkes Kiefer“ in den dortigen Mühlengraben, der direkt in die Sieber entwässert. TNT und andere aromatische Kohlenwasserstoffe der Sprengstoffherstellung kontaminieren bis heute die Sedimente des seither trocken liegenden Mühlengrabens und darüber hinaus andere Bereiche wie das Gießhaus und den Verbrennungsplatz. Diese Substanzgruppen sind giftig und weisen durch ihre krebserregenden und erbgutverändernden Eigenschaften ein unverändert hohes Gefahrenpotential für die Bevölkerung auf.
Das Gelände ist aus diesem Grund mit einem Zaun abgesperrt, aber der hält die Schadstoffe nicht zurück. Dieses Gefährdungspotential ist schon lange bekannt, denn erste punktuelle Untersuchungen und historische Recherchen wurden 1987 - 1989 durch den Landkreis Osterode am Harz beauftragt (PGBU 1989, MOLDE 1998). Weitere, intensivere Untersuchungen wurden von 1990 bis 1996 (z. B. ENVIRO M 1991, GTU 1996) durch das Niedersächsische Umweltministerium als freiwillige Leistungen aus Landesmitteln im Rahmen des Programms der „Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten in Niedersachsen“ veranlasst (BRAEDT 1997, NIEDERSÄCHSISCHES UMWELTMINISTERIUM 1996). An mehr als 20 Messpunkten wurden damals am Pfingstanger hochgiftige Verbindungen gefunden.

1998 formulierte es der Gutachter Dr. Peter Molde wie folgt:
„Der Boden auf dem Gelände ist in 8 Teilbereichen hochgradig kontaminiert. Besonders altlastenrelevant in quantitativer und qualitativer Hinsicht sind die Bereiche: Absorbertürme, Gießhaus, Mühlengraben (als Abwassersammler der ehem. Munitionsfabrik) und Verbrennungsplatz (s. Karte 2). Hauptkontaminanten sind Explosivstoffe (insbesondere TNT, DNB, Hexogen, Pikrinsäure) sowie deren Abbauprodukte, aber auch PAK und Blei. Auch wenn aufgrund der Nutzungsgeschichte die Verursacher sämtlicher Kontaminationen nur sehr schwer zu differenzieren sind, ist auf jeden Fall die ehemalige Munitionsfabrik Herzberg als Hauptverursacher identifiziert. Nicht nur im Boden, auch im Sickerwasser und im Grundwasser wurden explosivstoffspezifische Parameter festgestellt (s. Abb. 1). So wurden beispielsweise im Sickerwasser unterhalb des Mühlengrabens extrem hohe Gehalte besonders an TNT (max. 1.300 µg/l) und Hexogen (max. 10.100 µg/l) nachgewiesen (GTU 1996). Die nitroaromatischen Verbindungen (z. B. TNT und besonders dessen Abbauprodukte; s. Löw et al. 1989 und Neumeier et al. 1989) sowie die weiteren nachgewiesenen Explosivstoffe sind in toxikologischer Hinsicht als sehr kritisch zu beurteilen; sie weisen erhebliche kanzerogene und mutagene Potentiale auf (s. BGA 1993, Dieter 1994, Hassauer et al. 1993). Aufgrund der o. a. Zusammenhänge und der zum Teil sehr hohen Gehalte an explosivstoffspezifischen Parametern in Boden und Wasser geht vom Standort eine akute Gefährdung für Mensch und Umwelt aus. Es besteht nach wie vor für diesen Standort akuter Handlungsbedarf, um die Schadstoffherde zu beseitigen und um damit den Kontaminationspfad zu unterbrechen. Denn wie bereits eingangs erwähnt besteht, aufgrund der geologischen Situation auch für das Pöhlder Becken – mit mehreren Trinkwasserfassungen – eine erhebliche Grundwassergefährdung.“ (MOLDE 1998).
Eine solche Formulierung gehört zum Deutlichsten, was ein geologischer Gutachter schreiben kann. Die Behörden haben danach sofort zu handeln! Die damalige Landesregierung nahm dann auch den Pfingstanger in die Prioritätenliste der nötigen Sanierungen auf. Doch seitdem ist nur Papier bewegt worden und kein einziger Sanierungsschritt erfolgt …
Dass eine Sanierung zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt dringend geboten ist, steht außer Frage. Ungeklärt ist jedoch bis heute, wer die dabei anfallenden Kosten zu tragen hat. Laut Bundesbodenschutzgesetz muss der Verursacher einer Bodenverunreinigung für die Sanierung aufkommen. Genau das ist Anlass einer seit Jahrzehnten andauernden gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Rechtsnachfolger der DAG, der Grundstücksgesellschaft IVG und dem Landkreis Osterode am Harz.


Abb. 5: Gesprengtes Betongebäude im Werk Kiefer; Foto BUND Westharz

Wie geht es weiter?
Zuständige Bodenschutzbehörde ist der Landkreis Osterode am Harz. Die Kreisverwaltung hatte der IVG als Alteigentümer bereits 1992 die Auflage erteilt, das verseuchte Erdreich abzutragen und zu entsorgen. Doch die IVG wollte nicht bezahlen und ging vor Gericht. Sie bestreitet ihre Zuständigkeit und verweist auf die Tatsache, dass die DAG damals im Auftrag des Deutschen Reiches gehandelt habe, dessen Rechtsnachfolger die Bundesrepublik Deutschland ist, die demzufolge statt ihrer für die Sanierungskosten aufzukommen habe. 2001 kassierte das Bundesverfassungsgericht zwei Entscheidungen und verwies das Verfahren zurück an das OVG Lüneburg. Dort ruht die Auseinandersetzung seit über 12 Jahren.
Die Tatsache, dass im Rechtsstreit „Werk Kiefer“ noch immer keine Entscheidung gefällt ist, die zur dringend erforderlichen Gefahrenabwehr führt, ist aus Gründen des Schutzes der Umwelt und auch der menschlichen Gesundheit ein Skandal und nicht akzeptabel. Geologen, BUND, NABU, der Verein für Umweltschutz Herzberg e.V., Dr. Wolfgang Baur für den Ökologischen Ärztebund und auch der Verein Spurensuche Harzregion e.V. fordern daher eine unverzügliche Wiederaufnahme des Verfahrens, um endlich eine Sanierung des Geländes vornehmen und einen angemessenen Trinkwasserschutz gewährleisten zu können. Auch die Niedersächsische Landesregierung ist hier in der Pflicht.


Abb. 6: Zeitgenössischer Übersichtsplan des Werks Kiefer

Kein Einzelfall
Der Standort „Kiefer“ Herzberg ist kein Einzelfall – nur wenige Kilometer weiter nordwestlich in Osterode-Petershütte befindet sich ein ähnlich gelagerter Problemfall. Dort wurden während des 2. Weltkrieges ca. 600 000 m³ hochgradig kontaminierte Abwässer aus der Sprengstoffproduktion des Werks Tanne in Clausthal-Zellerfeld in sog. Schluckbrunnen bis in die Zechsteinaquifere verpresst. Sie stellen im Harzvorland westlich und nördlich von Osterode auch heute noch ein erhebliches Gefährdungspotential für das Grundwasser dar. In diesem Bereich mussten bereits in den letzten Jahren einige Trinkwasserbrunnen geschlossen werden (MOLDE 1998).


Abb. 7: Zeitgenössischer Übersichtsplan, Detail des östlichen Werksbereichs, in dem sich heute der Bauhof der Stadt Herzberg am Harz befindet

Dank
Für hilfreiche Hinweise danke ich Frank Baranowski und Firouz Vladi.

Literatur
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BRAEDT, M. (1997): Die Erfassung von Rüstungsaltlast-Verdachtsflächen in Niedersachsen und ihre prioritäre Bearbeitung. – In: Rüstungsaltlasten, Kontakt & Studium 520, expert-Verlag, Renningen-Malmsheim
BRAEDT, M., HÖRSELJAU, H., JAKOBS, F. & KNOLLE, F. (1998): Die Sprengstoffabrik „Tanne“ in Clausthal-Zellerfeld – Geschichte und Perspektive einer Harzer Rüstungsaltlast. – 166 S., 58 Abb., Verlag Papierflieger, Clausthal-Zellerfeld [2. Aufl. 1999, 3. Aufl. 2004]
BRAEDT, M., HÖRSELJAU, H., JACOBS, F. & KNOLLE, F. (1999): Zur Geschichte der „Entsorgungspfade“ der toxischen Abwässer der Sprengstoffabrik „Tanne“ in Clausthal-Zellerfeld. – Unser Harz 47(2): 23 - 27
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Autor
Dr. Friedhart Knolle, Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V., Grummetwiese 16, 38640 Goslar, fknolle@t-online.de


Wir danken der Schriftleitung der Mitteilungen des Verbandes deutscher Höhlen- und Karstforscher für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag ebenfalls veröffentlichen zu dürfen. Weiterer Nachdruck oder Veröffentlichung bzw. Verbreitung in anderen elektronischen Medien nur mit schriftlicher Genehmigung der Schriftleitung.

Nachtrag

Vorstehende Veröffentlichung wurde für die Internetpublikation geringfügig aktualisiert.

Nach Redaktionsschluss einigten sich das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz und die Firma IVG Immobilien AG (IVG) 2014 darauf, den Rechtsstreit über die Verantwortlichkeit für Rüstungsaltlasten zu beenden und handelten einen entsprechenden Vergleichsvertrag aus. Seitdem laufen die dringend notwendigen weiteren Untersuchungen endlich wieder an. Ob und wann was saniert wird, ist noch unklar.

F. Knolle

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