DAS WOLLNASHORN IM HAINHOLZ

 Das Wollnashorn in kalter Zeit
vermied die eis'gen Harzer Hoehen,
um sich im sonn'gen Vorland zu ergehen,
allein, und auch zu zweit.

 Es frass den kargen Tundra-Strauch
und trampelte auf Boden, gefrornem, hartem
und wetzte sich am Gips die Borstenschwarten,
in Musse Sonne schien ihm auf den Bauch.

 Obwohl cholerisch von Natur,
es teilte mit Mammut sein Revier
und and'rem, zaehen Kleingetier,
das es gar nicht bemerkte, stur.

 So ging's viel tausend Jahre lang:
Im Winter sah das Rhino Eis und Schnee,
im Sommer Muecken-Myriaden, ach herje!
Nur selten war das Wollgetuem krank.

 Doch dann erschien der Mensch im Bild.
er konnte denken, doch er hatte Kummer,
den trotz des Geist's bekam er staendig Hunger,
das machte ihn, verstaendlich wohl, ganz wild.

 Der Oberjaeger sprach zu seiner Horde:
"Wir brauchen Fleisch und Fett die Menge!
Am besten treiben wir ein Nashon in die Enge,
doch uns're Speere taugen nicht zu diesem Morde."

 Ein Kleiner war's, ein Fifikus,
der sprach: "Wir brauchen eine Falle!
Dort treiben wir's hinein, wir alle,
und machen dann mit dem Fleischberg Schluss!"

 "Ich weiss auch wo!" erklaerte er mit Stolz,
"es gibt dort lock'ren Mergel zwischen Schlottenkoepfen
aus Gips, den tauen wir mit Feuertoepfen.
Ihr kennt die Gegend alle, sie heisst: Hainholz."

 Hainholz war damals nicht das richt'ge Wort,
dem Leser wird es aufgefallen sein,
denn weder gab es Holz, noch Hain,
( soll's bald so wieder sein?), doch fahr'n wir fort:

 Kurz, nachdem man lange sich beraten,
die Sippe zog zum Sommersitz,
'nem Berg im Hainholz, hoch und spitz,
und grub mit Feuer, Knochenspaten.

 Bald war die Grube tief und breit genug.
Sie wurde zugedeckt mit Aesten, Erde,
damit's die alte Oberflaeche werde,
und's Nashorn nicht bemerkt den Betrug.

 Nach Tagen endlich kam ein Nashorn
friedlich aesend durch's Gestraeuch gebrochen,
die Jaeger hat es nicht gerochen,
die ploetzlich vor ihm standen, Fifikus ganz vorn.

 Der kleine Urmensch sprach mit trock'nem Mund:
"Rhinoceros wir woll'n Dich essen!"
Das Nashorn hoerte nicht mal auf zu fressen,
an diesem Menschlein sah's zur Furcht kein Grund.

 "Fuer spaetere Archaeologen,
brauchen wir Deine Knochen,
die Reste werden wir uns kochen!"
Ein Speer kam zur Bekraeftigung geflogen,

 piekte dem Rhino in die Nase!
Dem Nashorn wurd's nun doch zu bunt,
Es dach't: "Den stampf ich in den Grund!"
und stuerzte vor, schnaubend, in Rage:

 Die Sippe stob nach allen Seiten;
die Augen fast zu Schlitzen zugekniffen,
ward Fifikus vom Rhino angegriffen,
den faulen Atem schon im Nacken, mit einem Sprung, 'nem
                                                   weitem,

  konnt' er sich retten, doch
ein Knacken , Droehnen,
ein dumpfer Schlag, ein Stoehnen,
und's Rhino brach's Genick im Loch!

 Das Nashorn mochte eine Tonne wiegen,
das Fleisch zerteilte man auf der Stelle,
fuer Kleidung, Zelte nutzte man die Felle,
die Knochen aber blieben liegen!

 Und die Moral reizt irgendwie zum Lachen:
Urmensch und Akademiker,
scheinbar verschieden sehr,
sind zu begeistern fuer die gleichen Sachen.

(W.Busch zugeschrieben, Sept. 1879)


Diese Abhandlung aus nicht mehr bekannter Feder fand sich kurz nach den archäologischen Grabungen des Jahres 1979 in den diversen Fundkisten an. Leider kann nicht mehr rekonstruiert werden, ob es zu den Schriftvorgängen der Landesarchäologen bzw.der freiwilligen Grabungshelfer gehört oder ob es sich um originäres Fundmaterial handelt. In letzterem Falle läge wohl die älteste Lyrik der Weltliteratur vor! Sollte dieser Text aber dem damaligen Autor bekannt vorkommen, so wird herzlich um Mitteilung der rechten Urheberschaft an den Webmaster gebeten.

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