Burg Staufenburg

Eine halbe Stunde von Staufenburg auf einem großen runden Berge, der »Burg« genannt wird und mit kleinem Buschwerke bewachsen ist, stehet ein altes Schloß, das im dreißigjährigen Kriege zerstört sein soll. Noch etwas Mauerwerk, wie eine Stube im Umfange, ist da zu sehen. Es wird erzählet, von diesem Berge sei unser Herr Jesus gen Himmel gefahren in einer Wolke, die ihm unser Herrgott geschickt hätte. Darum ziehen nach diesem Berge zu Himmelfahrt aus Gittelde und drei, vier Stunden Weges ringsumher die Leute und aus Gittelde ziehen Bäcker, Fleischer und Wirte hin, die etwas feil haben. Dann steigen Sänger auf die alte Ruine und singen und beten dort. – Unter der alten Burg aber ist ein Keller oder ein Gewölbe, darin sitzet eine Jungfer mit mehreren Zwergen. Alle sieben Jahre zu Ostern lässet sie sich sehen mit einem dicken Bunde Schlüssel an der Seite. Früher zeigte sie sich öfter, man hat sie aber einmal geprellt und darum erscheint sie jetzt so selten. Sie verweilet, wenn die sieben Jahre um sind, jeden Ostertag eine Stunde, von elf bis zwölf Uhr des mittags, und harret da auf ihre Erlösung. Auch begleitet diese Jungfer ein weißes Spitzhündchen, welches früher, wie sie noch nicht verwünscht war, ihr Schoßhündchen gewesen ist. Es bellt, wenn die Stunde um ist, und sie thut einen lauten Quik, ehe sie verschwinden.

Auch hat einmal da ein Hirt gehütet, dem ist immer eine Sau fortgegangen, und wenn sie wiederkommen ist, hat sie sich so dick gefressen, daß sie den ganzen Tag kein Fressen wieder angerührt hat, und das hat die Sau eine ganze Zeit lang gethan. Da ist ihr der Hirt einmal nachgegangen und sie hat ihn in ein Loch geführt, vor dem eine Rose geblüht hat, die hat er abgepflückt, da ist die Jungfer erschienen und hat ihn mitgenommen. Da hat er sich soviel Geld nehmen müssen, als er hat nur tragen können. Er ließ aber die Rose fallen, da hat sie immer gerufen: er sollte das Beste nicht vergessen; er aber hat die Rose nicht wieder aufgenommen. Wie er nun heraus kommen ist, da ist sein Geld lauter Dreck gewesen und die Rose hat da wieder geblüht, wo er sie abgepflückt hat. Hätte er nun die Rose mitgenommen, so wäre sein Geld auch Geld geblieben, und er hätte durch die Rose die Jungfer erlöset.

Auch ist einmal der Amtmann vom Amte Staufenburg in das Loch an der Staufenburg gegangen, und hat da die Sau verfolgt, da ist die Jungfer ihm begegnet und hat ihn gefragt, was er hier thäte. Da hat er wieder gefragt, was sie hier mit seiner Sau anfinge. Da hat sie gesagt: die fütterte sie nicht um tau ben Dunst, und danach hätte er nicht zu fragen, er sollte jetzt machen, daß er fortkäme, sonst erginge es ihm übel. Da hat er nur machen müssen, daß er fortgekommen ist, sonst hätte es ihn noch das Leben gekostet. Die Sau aber hat da dicke Milch und Reilsch (warmes Essen) gefressen, und hat drei Tage nachher neun Ferkeln zur Welt gebracht, die haben alle neun sprechen können, sind aber bald gestorben, denn kluge Menschen und Tiere sterben eher als andere Menschen und Tiere, die dümmer sind. Die Jungfer mit Schlüsseln an der Seite bleicht auf der Fohlenburg in der Kreuzbreite alle sieben Jahre Leinwand. Die ganze Fohlenburg ist dann voll Leinwand gedeckt, und der Spitzhund bewacht die Leinwand. Die Fohlenburg ist ein großer grüner Platz, der sich zum Bleichen eignet. Der Platz liegt, wenn man von Gittelde aus nach Amt und Burg Staufenburg geht, links.
 

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