Die Brandschächter Schlotte bei Pölsfeld
- von Reinhard Völker -
Die Bedeutung der Schlotten
Die durch den Bergbau aufgefundenen Höhlen, von den Bergleuten "Schlotten" genannt, waren kein Gegenstand des Abbaus. Sie wären nie in die Bergbauliteratur eingegangen, wenn sie nicht eine Bedeutung für diesen erlangt hätten. Diese Höhlen brachten drei Berührungspunkte mit dem Bergbau:
  • Eingeleitetes Grubenwasser verschwand auf geheimnisvollem Wege und machte ein Abpumpen oder anderwärtiges Ableiten des Wassers unnötig.
  • Große Hohlräume eigneten sich gut für die Einbringung von Versatz. Dieser brauchte nicht Übertage gebracht zu werden.
  • Wurden wassergefüllte Schlotten unterhalb des Wasserspiegels angefahren, gab es chaotische Wassereinbrüche, die sich nachteilig auf das Abbaugeschehen auswirkten.
Schriftlichen Niederschlag fanden solche Punkte anläßlich bedeutender Ereignisse. Da die Wasserhaltung des Bergbaus eine wichtige und kostspielige Angelegenheit war, stellten Schlotten eine willkommene Lösung dar. Deshalb gibt es in den Bergbauarchiven genügend Unterlagen, die von solchen Projekten berichten.

Im 17. und 18. Jahrhundert wurden Schlotten bewußt gesucht, um Grubenwasserprobleme zu lösen. Anhaltspunkte waren große Dolinen und Erdfälle, unter denen man die Höhlen vermutete und suchte. Manche Suche ging positiv aus, manche Suche blieb im Schlamm und Wasser stecken und brachte keinen Erfolg. Ein Beispiel dafür ist die - im Heft 2 der Mitteilungen des Karstmuseums - beschriebene Elisabethschächter Schlotte.

Abb. 1
Nicht selten brachten aufgefundene Schlotten Streitfälle für konkurrierende Gesellschaften und viele Informationen über die Höhle selbst sind aus umfangreichen Gerichtsakten zu entnehmen. Auch dafür ist die Elisabethschächter Schlotte ein hervorragendes Beispiel.

Die Einbringung von Versatz in die Höhle war zwar ein wichtiges Unternehmen, wurde aber in Bergwerksakten kaum geschildert und dargestellt. Alte Grubenrisse zeigen diese Verwendung, Befahrungen noch zugänglicher Höhlen geben darüber Zeugnis. Diese Halden haben nicht selten riesige Hohlräume fast völlig verfüllt!

Die Berichte über Wasserkatastrophen, hervorgerufen durch angefahrene, wassergefüllte Schlotten sind wieder häufiger in Archiven anzutreffen. Dieser Umstand trat allerdings erst mit dem Tiefergehen des Bergbaus auf und ist in Darstellungen und Akten des Bergbaus des 19. Jahrhunderts markant. Diese Schlotten selbst wurden selten betreten, die Auswirkungen der Wassereinbrüche und die Bekämpfung der Folgen stehen im Mittelpunkt der Darstellungen.
Mit der Tieferlegung des Kupferschieferbergbaus begann die Berührung mit den Schlotten. Durch Archivforschungen kennen wir Beschreibungen, die bereits aus dem 16. Jahrhundert stammen.

Die Brandschächter Schlotte
Seltsamerweise kennen wir über diese Schlotte kaum etwas. Seit der Schließung des Barbaraschachtes im Jahr 1926 gibt es keine Möglichkeit mehr, an diese Schlotte heranzukommen.
In alten Unterlagen über den Bergbau des Gebietes wird sie nur erwähnt. Eigentlich gibt es kaum Material, um über diese Höhle zu schreiben. Der Bergbau des Kupferberger Reviers wurde aber durch das Vorhandensein dieser Schlotte erst möglich: Darstellungen auf Grubenrissen lassen den Schluß zu, daß die gesamte Höhle einen Vergleich mit der Heimkehle nicht zu scheuen braucht. Deshalb soll versucht werden, das spärliche Material zusammenzutragen und einige Informationen über diese beachtliche Höhle zu geben.

In Erwähnungen, Darstellungen und Nennungen der Höhle tauchen für die gleiche Höhle verschiedene Namen auf: Pölsfelder Schlotte, Kupferberger Schlotte und Brandschächter Schlotte.

Die Nennung des Pölsfelder Stollens ist 1574 bereits bekannt. Dieser Stollen ist auf keinem bergmännischen Riß als echter Stollen mit einem Mundloch dargestellt.

Abb. 2


Auch ist kein altes Mundloch bekannt, welches dem Pölsfelder Stollen zugeordnet werden könnte. Bedingt durch die Tiefenlage des Stollens und der im Pölsfelder Raum vorhandenen Geländemorphologie, könnte dieser Stollen nur in das Gonnatal gemündet haben. Dort gibt es jedoch keine Hinweise dafür, ist also anzunehmen, daß dieser Stollen nie ein Mundloch besaß, sondern in eine große Höhle mündete, die Brandschächter oder Kupferberger oder Pölsfelder Schlotte. (Abb. 2)
Aus dieser Frühphase des Bergbaus ist kein Riß erhalten geblieben. Erst durch den Neubeginn im 19. Jahrhundert wurden Grubenrisse angefertigt, auf denen teilweise die aufgefundene "Altbergbausituation" dargestellt wurde. Hieraus ist zu entnehmen, daß der Pölsfelder Stollen tatsächlich in die Höhle mündete, daß teilweise ganze Höhlenteile den Stollen selbst darstellen.
Am besten ist die Höhle auf einem Grubenriß dargestellt, den SAMUEL ZIERVOGEL 1801 aufgenommen hat und den der Markscheider CHRISTOPH BRATHUHN 1828 kopiert und Nachtragungen bis 1875 durchgeführt wurden. Auf diesem Plan über das Kupferberger Bergrevier ist die Schlotte in 3 Teilen dargestellt:
  • Eine Teilschlotte am Lichtloch X (Abb. 3)
  • Eine Teilschlotte am Lichtloch XI (Abb. 3)
  • Die Hauptschlotte zwischen Lichtloch XII und Lichtloch XIII (Abb. 2)
Abb. 3

An der Teilschlotte am Lichtloch XI ist der Verlauf des alten Pölsfelder Stollens auf einer Länge von 120 m eingetragen. Die Signatur läßt vermuten, daß dieser Stollenteil eine Klufterweiterung in Fortführung der Schlotte ist. Schlamm und Wasser machten eine weitere Kartierung in Richtung der Hauptschlotte nicht möglich.
Im Bereich der Hauptschlotte ist der alte Pölsfelder Stollen auf einer Länge von 350 m dargestellt. Er weist mehrere Einmündungen in die Höhle auf, wird zu einem großen Teil durch Eintiefung in die Höhlensedimente gebildet und verliert sich in Schlammassen, die ihn wahrscheinlich unpassierbar machten. Eine Auswertung der Karte zeigt deutlich, daß die Entwässerung des Grubenfeldes über diesen Stollen in die große Schlotte hinein erfolgte.

Man kann also zusammenfassend feststellen, daß der Pölsfelder Stollen gebaut wurde, um in die Schlotte zu entwässern. Da der Stollen 1574 erwähnt wurde, muß die Höhle bereits bekannt gewesen sein. In unmittelbarer Nähe der Höhle sind auf einer anderen kartenmäßigen Darstellung die Jahreszahlen 1512 und 1582 in gestrichelter Fortsetzung des Pölsfelder Stollens eingetragen. Schriftliche Entdeckungsberichte gibt es nicht. In unmittelbarer Nähe der Höhle, an der südlichen Steilstufe an der Oberfläche, sind Dolinen und eine aktive Bachschwinde mit mehreren Ponoren vorhanden. Es ist also nicht unmöglich, daß die Höhle bewußt gesucht und auch gefunden wurde, um Bergbau im Kupferberger Revier treiben zu können.
Auch die nachfolgenden Generationen scheinen die Entdeckung, die Bedeutung und Nutzung der Schlotten nicht mehr gekannt zu haben, denn FREIESLEBEN gab das Jahr 1813 für die Entdeckung der Höhle an.
Er schreibt darüber:

(1) " Seit Ende des Jahres 1813 ist ein wunderschöner Zug von Kalkschlotten auch am untern Ende des Sangerhäuser Refiers in der Nähe von Pölsfeld zugänglich, und dadurch nach und nach bekannter geworden. Er wurde unerwartet mit dem Schacht E des Kupferberger Refiers in ohngefähr 33 Lachter Tiefe unter Tage eröffnet, und seitdem kann man wenigstens schon eine zusammenhängende Höhlenreihe von mehr als 1400 Fuß Länge und hin und wieder 210 bis 240 Fuß Breite durchfahren. Sie enthält, außer dem mannigfachen niedrigern labyrinthischen Gängen und Armen, einige Grotten, die an Höhe und Schönheit beynahe die Schlotten von Wimmelburg übertreffen; noch aber kennt man die Gränzen des ganzen Zuges nicht, weil theils noch noch hin und wieder Wassersümpfe stehen, theils die Schlämme noch nicht überall so abgetrocknet sind, daß man auf ihnen fortschreiten könnte. Besonders eigenthümlich ist diesen Schlotten eine Zeichnung der mächtigern Gipsflöze, wo große runde blendendweisse Flecken, auf dem dunkelgrauen Grunde des mit Stinkstein gemengten Gipses hervor leuchten, welches besonders in den Kuppeln der hohen Rotunden einen gar schönen Anblick gewährt. Sie verdienten allerdings eine umständlichere Beschreibung; allein diese mag verschoben bleiben, bis sie noch genauer bekannt sind."
Leider hat FREIESLEBEN diese Schilderung nie weitergeführt, wie er es im letzten Satz seiner Abhandlung ankündigte. Diese Schilderung ist die einzige bisher bekannte über die Wiederentdeckung und Schönheit der Brandschächter Schlotten. Der Schilderung kann man entnehmen, daß die Höhle in Entstehung, Form und Aussehen der Elisabethschächter Schlotte gleicht (2).

Aus der Zeit der Wiederentdeckung der Schlotte stammt auch ein Spezialriß über die Kupferberger Schlotte. Von wem und wann er aufgenommen wurde, ist nicht ersichtlich. Dargestellt ist die große Hauptschlotte. Interessant ist die Tatsache, daß in den zugehörigen Profilen zwei hohe Kuppeln mit eingehängtem Kronleuchter dargestellt sind.

(Abb.4)

Aus der Wimmelburger Schlotte ist bekannt, daß im sogenannten Tanzsaal, einem kuppelförmigen, etwa 15 m hohen Raum nicht selten Feste der Bergleute stattfanden. Wer dort welche Anlässe feierte, ist leider nicht bekannt.
Die erste schriftliche Abhandlung über solche Feste in der Wimmelburger Schlotte wurde 1808 von ERDMANN gegeben. Musik und Festbeleuchtung gaben den Festlichkeiten den Rahmen. Dazu war auch im Tanzsaal der Wimmelburger Schlotte ein Kronleuchter eingehängt. Reste davon waren 1977 bei neuen Expeditionen in diese Höhle noch zu sehen. Es kann also angenommen werden, daß in der Brandschächter- oder Pölsfelder oder Kupferberger Schlotte ähnliche Feierlichkeiten abgehalten wurden.
Im Tanzsaal der Wimmelburger Schlotte sind in Inschriften an den Wänden die Gäste der Feierlichkeiten verewigt. Leider war bisher nie die Zeit vorhanden, diese Inschriften zu studieren oder auszuwerten. Aber flüchtige Leseproben lassen erinnern, daß Hochzeitsgesellschaften, Militärgruppen, Ausländer und höhere Bergoffizianten zu den Gästen gehörten. Übrigens war es selbstverständlich, zu solchen Gelegenheiten auch Frauen mit in die unterirdischen Räume zu nehmen. Manch neckische Liebeserklärung wurde mit spitzen Gegenständen in den Dolomitstaub der Wände gekratzt.
Leider ist es uns bisher unmöglich geblieben, diese Dinge näher zu erforschen. Der Spezialriß über die Kupferberger Schlotte deutet jedoch darauf hin, daß derartige Feste auch in dieser Schlotte stattfanden.
Vielleicht sind auch hier die Wände mit alten Inschriften bedeckt, hängt in der Kuppel eines Saales der alte Kronleuchter noch?
NAUWERCK schrieb 1860 ein Werk über die Schlotten (3), in dem er gute Schilderungen ihm zugänglicher Höhlen abgibt. Über die Brandschächter Schlotte sagte er allerdings kein einziges Wort.

Der Gründer der Harzer Höhlenforschung FRIEDRICH STOLBERG veröffentlichte 1942/43 eine Zusammenstellung seines Kenntnisstandes zu den sogenannten Schlotten. Das war eine wichtige Sache, jedoch hatte STOLBERG kaum Zugang zur notwendigen Literatur, von den Höhlen selbst konnte er nur von der Wimmelburger Schlotte einen bescheidenen Teil zu Gesicht bekommen. Er erwähnte auch die Brandschächter Schlotte als "Schlotte im Kupferberger Revier bei Pölsfeld" und schrieb darüber:

(4) "... der Schlottenzug liegt im Kupferberger Revier unter Pölsfeld und scheint erst nach 1860 aufgefunden worden sein, da NAUWERCK ihn nicht erwähnt. Das Gestein ist Älterer Gips, die Sohle hält sich auf 185 m NN bei 260 m NN des überdeckenden Geländes. Hierbei steht die Vorflut auf 245 m NN, also 60 m über dem Schlottenzug. Dieser schließt an den östlichen Gonnaer Stollenflügel an und besteht dem Grundriß nach aus zwei kleineren, westlichen Schlotten und einer östlichen, sehr großen Schlotte. Die erste kleinere bildet einen ovalen Hohlraum von 12 - 35 m, die zweite kleinere zieht als 100 m langer Schlauch gegen die dritte, größte, die als gewaltiger Höhlenraum von 300 m Länge und 12 - 50 m Breite daliegt. Nördlich grenzt eine saalförmige Erweiterung mit kleinerer Nebengrotte an den Hauptzug. Zur Zeit des Abbaus der benachbarten Grubenfelder diente die riesige Schlotte als Lager für den Abraum, mit dem sie zugesetzt wurde.
Nach Auflassung des Reviers 1924 besteht keine Möglichkeit mehr, an den Schlottenzug heranzukommen."Folgende Angaben zur Höhle lassen sich interpretieren:
Die Höhle scheint sich in der Hauptachse über 600 m zu erstrecken. Kartenmäßig ist sie in 3 Teilbereichen dargestellt. Der bekannte Höhlenteil am Lichtloch X liegt unmittelbar unter der Ortslage Pölsfeld. Das Lichtloch ist nicht mehr sichtbar, da es in den letzten Jahren überbaut wurde. Der dargestellte Hohlraum ist etwa 20 m lang. Das Lichtloch XI liegt am östlichen Ortsausgang. Der hier dargestellte Höhlenteil ist 30 m lang und verläuft sich in einer Schummerung in einer 120 m langen Darstellung des alten Pölsfelder Stollens. Auf anderen Grubenrissen ist dieser Teil deutlich als Höhle dargestellt. Der Hauptschlottenzug liegt östlich von Pölsfeld unter dem Ackerland. Kleine Halden markieren die alten Schächte und zeigen die Lage der Höhle genau an. Der Hauptschlottenzug ist in einer Länge von 300 m dargestellt. Er ist teilweise verästelt.
Der Spezialriß über die Kupferberger Schlotte zeigt die Verwendung der Hohlräume zur Verfüllung mit Haldenmaterial an. Mehrere große Halden wurden in die Höhle eingebracht. Die Höhle dürfte sich vollständig im Werraanhydrit befinden. Kuppelförmige Räume mit herrlichen Alabasterkugeln dürften an die Elisabethschächter Schlotte erinnern. Entstehung der Höhle und geologische Verhältnisse entsprechen wahrscheinlich völlig den Bemerkungen zur Elisabethschächter Schlotte (2) und brauchen nicht gesondert ausgeführt werden. Interessenten können diese Dinge im besagten Heft nachlesen.

Schlußbemerkungen
Die Brandschächter Schlotte ist eine in Größe und Bedeutung beachtliche Höhle. Selbst in Expertenkreisen ist sie völlig in Vergessenheit geraten. Ob sie jemals noch betreten werden kann, ist sehr ungewiß. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß bei weiteren Archivforschungen neues Material entdeckt wird und das Bild gerundet werden kann. Veröffentlichungen, Ausstellungen und Veranstaltungen zur Problematik des historischen Kupferschieferbergbaus und seinen Berührungspunkten mit Höhlen haben uns veranlaßt, trotz vieler Wissenslücken einige Ausführungen zu dieser größten bisher bekannten Höhle im Kreis Sangerhausen zu machen, die durch den historischen Bergbau gefunden wurde. Mit den Veröffentlichungen über die Elisabethschächter Schlotte (Heft 2), die Segen-Gottes-Schlotte (Heft 3) und der Schlottenproblematik unter dem Bauerngraben (Heft 5) wird mit dem Heft 6 über die Brandschächter Schlotte und dem Kupferschieferbergbau im Pölsfelder Revier, eine Reihe fortgesetzt, die aufzeigt, wie vielfältig die Berührungspunkte des Bergbaus mit den Höhlen waren.
Damit ist eine Reihe der uns bekannten Höhlen des historischen Sangerhäuser Kupferschieferreviers noch längst nicht beendet. Durch intensive Archivforschungen haben wir bereits Kenntnis von weiteren Fundpunkten, die in späteren Publikationen behandelt werden sollen.

Literatur

1JOHANN CARL FREIESLEBENGeognostischer Beitrag zur Kenntnis des Kupferschiefergebirges mit besonderer Hinsicht auf einen Theil der Grafschaft Mannsfeld und Thüringen IV. Teil 1815
2VÖLKER, R. u. C.Die Elisabethschächter Schlotte
3NAUWERCK, G.Beitrag zur Kenntnis der Gipse mit ihren Schlotten und Höhlungen sowie Erdfällen im Hangenden des Kupferschiefers, am Harze und im Mansfeldischen sowie ihrer Entstehungsweise
4STOLBERG, F.Die Mansfelder Schlotten
in Zeitschrift für Karst- und Höhlenkunde 1942/43



Quelle:
Reinhard VÖLKER
DIE BRANDSCHÄCHTER SCHLOTTE BEI PÖLSFELD
Heft 6 + 7, Mitteilungen des Karstmuseums, Uftrungen

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