Internationale Union für Speläologie
unterstützt Bestrebungen zur Schaffung eines
Biosphärenreservates im Südharz

Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten hat den einzigartigen Gipskarstgebieten im Südharz, die bisher durch die innerdeutsche Staatsgrenze zerschnitten waren, einen neuen Stellenwert gegeben. Faßt man die Gipskarstgebiete in den Kreisen Osterode (Niedersachsen), Nordhausen und Sangerhausen (beide bisher Deutsche Demokratische Republik) zusammen, so handelt es sich um eine in Europa einmalige Landschaft, sowohl hinsichtlich der Tier- und Pflanzenwelt, als auch hinsichtlich der an das Auftreten von Anhydrit, bzw. Gips gebundenen Karstformen. Im Gebiet der Südharzer Zechstcinlandschaft (ca. 600 km²) und des Kyflhäuser (ca. 90 km²) sind über 20.000 Karsthohlformen (Erdfalle, Dolinen), mehr als 200 Höhlen, 3 große Karstquellen mit mehr als 15 Millionen Kubikmeter Jahresschüttung (Rhumequelle, Salzaspring, Förster Quellen), 100 weitere kleinere Karstquellen und etwa 100 Bachschwinden und Flußversinkungen bekannt.

Auf die durch den Wegfall der Grenznähe (und der bisherigen Sperrgebiete) gestiegene Bedrohung der naturnahen Bereiche dieser Landschaft ist in letzter Zeit mehrfach hingewiesen worden. Die auf Einladung der Sektion Geotechnik und Bergbau der Bergakademie Freiberg in Sachsen im März 1990 abgehaltene internationale Tagung, die sich mit Fragen des Bauens in Gebieten befaßte, die durch die Auflösung von Gips und Salz senkungsgefährdet sind, hat in einer Entschließung auf die besondere geologische Bedeutung und die hervorragende Schönheit von Landschaften im Gipskarst, sowie auf die Dringlichkeit von Schutzmaßnahmen hingewiesen.

In dieser Entschließung heißt es unter anderem wörtlich:
Solche Landschaften des Gipskarstes mit ihren zahlreichen Höhlen, Schlotten, Erdfällen, Seen, weißen Steilwänden, Bachschwinden und Karstquellen, mit Trockenrasen und Kalkbuchenwäldern mit außerordentlich vielen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten sind in Europa einzigartig; sie treten nur am südwestlichen und südlichen Harzrand und am Kyffhäuser auf, in den Landkreisen Artern, Nordhausen, Osterode am Harz und Sangerhausen (Bezirke Braunschweig, Erfurt und Halle). Die Eignung dieser Region für die Erholung und den Fremdenverkehr beruht auf dieser vielfaltigen und noch weitgehend intakten Landschaft.
Diese Gipskarstlandschaften sind bisher nur zum geringeren Teil geschützt. Sie erscheinen jetzt aber durch den Abbau von Gips zunehmend gefährdet. In der DDR zeichnet sich ein starker Nachfragezuwachs an Baugrundstoffen, so auch nach Gips, ab, der angesichts des hohen Sanierungsbedarfes der Altbausubstanz der Städte in den kommenden Jahren gedeckt werden muß. Die Geowissenschaftler sorgen sich insbesondere um die dauerhafte Schonung der kostbaren Landschaften des Gipskarstes in den genannten Kreisen und drängen darauf, diese sehr rasch als Naturschutzgebiete zu sichern. Sie bieten ihre Fachkenntnisse den Institutionen des Naturschutzes an. Sie fordern dabei eine Überprüfung der in früheren Jahren in der DDR zu großzügig bemessenen Bergbauschutzgebiete, d. h. der für den Gipsabbau reservierten Landschaftsteile.
Die Bereitstellung von Gipsbaustoffen muß daher neben der Ausbeutung derjenigen Naturgipslagerstätten, die für die dauerhafte Erhaltung geringe Bedeutung haben, aus der Verwendung von Gipsen aus der Umwelttechnik (Rauchgasentschwefelung), längerfristig auch durch Import und durch andere Sekundargipse erfolgen, später ist ggf. auch wieder die Verwendung von Baustoffen auf Kalkbasis zu fördern. Auch sollen jene Gipsvorkommen außerhalb des Südharzes verwertet werden, deren Abbau keine nachhaltigen Schäden an der Landschaft hervorruft; hiervon weist das Gebiet der DDR weitere gute Lagerstätten auf.

Die an dieser Stelle teilweise zitierte Entschließung ist von Professor Dr. Fritz Reuter (Sektion Geotechnik und Bergbau der Bergakademie Freiberg) als Veranstalter sowie von Professor Fahlbusch (Darmstadt, Bundesrepublik Deutschland), Dr. V. Tolmatschev (Karstlabor Dzershinsk, Sowjetunion) und dem Berichterstatter als Vertreter der Tagungsteilnehmer unterzeichnet.

Wichtig an diesem Text ist wohl auch der Hinweis auf eine sinnvolle Alternative zum Rohgipsabbau. Dieser Hinweis findet sich im übrigen auch in einem Forderungskatalog, der inzwischen von der Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde in Niedersachsen e. V., sowie bisher zehn weiteren Naturschutzinstitutionen und Bürgerinitiativen gemeinsam beschlossen wurde. In Sorge um die Zukunft des Südharzraumes wird insbesondere gefordert:

  1. Das Südharzer Gipskarstgebiet in den Kreisen Osterode, Nordhausen und Sangerhausen ist in die UNESCO-Liste der Biosphärenreservate aufzunehmen.
  2. Die jetzigen Abbauflächen in den ausgewiesenen Bergbauschutzgebieten sind im Detail offenzulegen.
  3. Alle Ergebnisse der Gespräche des VEB Harzer Gipswerke Rottleberode und gegebenenfalls anderer Interessierter mit der westlichen Gipsindustrie (Firmen Knauf, Rigips, Roddewig, Börgards u. a.) sind offenzulegen. Die Gespräche und Verhandlungen sind bis zu einer Entscheidung über das Biosphärenreservat zu unterbrechen.
Die Begründung für diese Forderungen und Informationen über die Biosphären-Reservate wurden der Öffentlichkeit in einer Broschüre vorgelegt1). Es wird erwartet, daß die lokalen und regionalen Planungsbehörden angesichts der Bedeutung der Gipskarstlandschaft Südharz die Forderung nach klarer Abgrenzung hinreichend großer Schutzgebiete und nach eindeutiger Beschränkung zukünftiger noch möglicher Abbaubereiche berücksichtigen werden.

Die Internationale Union für Speläologie, an die der Wunsch nach Unterstützung der Forderung nach Schaffung eines „Biosphärenreservates Südharz“ (in ihrer Funktion als Konsultativorganisation der UNESCO) herangetragen worden ist, hat jede ihr mögliche Hilfestellung bei der Verwirklichung des Vorhabens zugesagt.

Dr. Hubert Trimmel (Wien)


1) Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde in Niedersachsen e. V. (Redaktion: F. Knolle), Biosphärenreservat Südharz. 28 Seiten, Osterode-Uftrungen 1990.


TRIMMEL, Hubert (1990): Internationale Union für Speläologie unterstützt Bestrebungen zur Schaffung eines Biosphärenreservates Südharz.- Die Höhle 41, H.3, 74-75, Wien

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