Von zweien Questenbergischen Hölen, das grosse und kleine kalte Loch oder Eis-Loch genannt 
Von zweien Questenbergischen Hölen, das grosse und kleine kalte Loch oder Eis-Loch genannt.

In dem benachbarten Hoch-Gräfflichen Stolbergischen gegen dem Vor- oder Vorder-Hartze gelegenen Ambte Questenberg lieget in einem Thale zwischen zweien Bergen ein Dorff, so ebenfalls wie das Amt Questenberg heisset; Unter vor besagten Bergen nun befindet sich einer, so ein Kalck-Berg, und an der Seite, da er nach dem Dorffe zugehet, sehr hoch und stickel ist, welchen die Einwohner gemeldeten Dorffes den Wasser-Berg nennen, und derjenige ist, so von denen Curiosis gesuchet wird, massen man daselbst auff der Sommer-Halbe, oder der mittägigen Seite, da der Weg nach Wickerode zugehet, gleich unter dem Dorffe einen Riß oder Loch antrifft, so etliche Klaffter tieff ist, in welchem zu Sommers-Zeit, auch in denen allerheissesten Tagen, eine solche hefftige Kälte verspüret wird, daß die Tropffen des in dieselbe fliessenden Wassers, als wie im Winter an denen Dächern geschiehet, zu Eis-Zapffen gefrieren, und bald vorne im Eingange herab hangen, daß es also scheinet, als wenn die Natur allhier gleichsam einen immer-währenden Winter im Sommer machen wolle, wie denn auch die Kälte daselbst so empfindlich, daß, wenn einer so vorwitzig ist, und die Nase hinein stecket, solcher dieselbe bald wieder, der grausamen Kälte wegen, zurück ziehet. Dieser sehr kalte Ort wird das kleine kalte Loch oder das Eis-Loch genennet, zum Unterschied des berühmten grossen kalten Loches, als welches weiter in den Berg hinein lieget, und an sich selbst nichts anders, als eine aus einem Kalck-Stein-Felsen bestehende geraume und nicht sehr tieffe Liecht-helle Höle ist, darinnen im Sommer eine Wunderwürdige Kälte angetroffen wird. Wenn ein curieuser Herr nicht weit von dieser kalten Höle ein Schloß oder andere Lust-Wohnung auffbauen liesse, so könten die Gemächer derselben im warmen Sommer, wenn grosse Hitze vorhanden, durch die in gedachter Höle befindliche und vermöge etlicher Röhren dahin gebrachten kalten Lufft kühl gemachet werden, auff die Art, als solches in Italien oder Welsch-Land an einem gewissen Ort geschiehet; massen Megiserus in seinem Paradiso deliciarum, oder Beschreibung Venedig lib. 1 cap. 24 wie auch der Autor deliciarum Italiæ p.m. 282 gedencket: daß nicht gar weit von Vicenza, wenig ausser dem Wege nach Padoa, eine gar grosse Höle oder Loch in einem Berglein mit Menschen-Hand gegraben und gemacht sei, darinnen sich das Volck aus denen umliegenden Flecken zu Krieges-Zeiten verstecket und auffgehalten habe, und la grotta di Vicenza oder il Cubalo genennet werde: Hierbei nahend sei eines Vicenzinischen Edelmanns Hoff, darinnen eine lustige Æolia oder Wind-Kunst zu sehen sei, dadurch die Winde in Sommers-Zeiten könten regieret, und entweder hefftiger oder schwächer gemachet werden, wie man es begehrete, wie denn auch dieserwegen über die Thür des gemeldeten Hoffes folgender Vers des Virgilii geschrieben sei, nemlich:

Æolus hic clauso ventorum carcere regnat.

Ebenfalls sei ein viereckigter Stein dabei eingemauret, daran eingehauen stünde: daß Ao. 1560 Franciscus Tridenteus im 22zigsten Jahre seines Alters in diesen Hoff, und zwar in alle Zimmer, die kalte Lufft aus vor gedachter Höle durch ein neues und wunderbahres Kunst-Stücke gebracht habe, und solcher Curiosität wegen der Hoff wohl unter die Königlichen Zierden und Lust-Häuser könne gerechnet werden. Gleicher Gestalt vermeinen einige, daß man aus dem grossen kalten Loche einen viel bessern und kühlern Berg-Keller machen könne, als in dem Ertz-Bisthum Saltzburg zu Kaltenhausen angetroffen, und daraus von etlichen, derer darinnen vorhandenen und zu Sommers-Zeit sehr angenehmen kühlen Weine wegen, ein groß Wesen gemachet wird, ob aber der Wein und ander Geträncke darinnen gut thun würde, wolte ich fast zweifeln, weilen es vor dieselbe des Sommers zu kalt, des Winters aber zu warm sein dürffte; massen von diesem kalten Loche merckwürdig ist, daß, je heisser die Sonne im Sommer scheinet, je härter es darinnen frieret, und kalt ist, auch soll es, wie etliche berichten, zu Zeiten sich begeben, daß es daselbst recht schneie, indem die in der Höle vorhandenen feuchten Dünste, ihrer Meinung nach, durch die Kälte in Schnee verwandelt würden, hingegen je härter und schärffer es im Winter gefreuret, je heisser es in der Höle ist, daß auch davon aus derselben ein starcker Broden oder Dampff, wie zu Winters-Zeit aus einer starck gehitzten Bad-Stube, gehet, über welches Natur-Wunder ein Curiosus sich billich höchlich verwundern muß, sonderlich da die Höle wie ein halb abgebrochener oder offen stehender Keller aussiehet, auch recht gegen Süden oder Mittag offen stehet, und doch dessen ohngeachtet weder von den denen heissen Sonnen-Strahlen im Sommer erwärmet, noch im Winter von denen kalten Winden und Lüfften erkältet wird.

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