Mitt. florist. Kart. Sachsen-Anhalt
1
38 - 42
Halle 1996

Zur floristischen Situation des salzbeeinflußten Gebietes
zwischen Riethnordhausen und Hackpfüffel

Jürgen Pusch & Klaus-Jörg Barthel

Lage
Im Landkreis Sangerhausen, MTB 4533/34, zwischen Hackpfüffel und Riethnordhausen, nur wenige Kilometer nordöstlich des Kyffhäusergebirges, befindet sich innerhalb eines Feuchtwiesenkomplexes eine kleinere Salzwiese mit zahlreichen bemerkenswerten Salzpflanzen (Halophyten). Dieser Wiesenkomplex wird im Süden von einem Schilfmantel, im Norden von der Straße Hackpfüffel - Riethnordhausen und im Osten von einem Pappelhain begrenzt (siehe Karte, Teilgebiet 1). Er liegt im nördlichen Teil des einstweilig gesicherten NSG ”Hackpfüffler See”. Hier kam es infolge Subrosion unterlagernder Zechsteinschichten zur Bildung zahlreicher Erdfälle, die heute mit Wasser gefüllt sind. Weitere, mehr oder weniger salzbeeinflußte Wiesenflächen und Gräben finden wir nördlich der Straße Hackpfüffel - Riethnordhausen (Teilgebiet 5 und Graben 6) aber auch östlich des Pappelhaines bis zu den Riethnordhäuser Kleingärten (Teilgebiete 2, 3 und 7) und damit außerhalb des Naturschutzgebietes.
Einige halophile Pflanzenarten kommen auch außerhalb unseres eigentlichen Bearbeitungsgebietes, im Umfeld des nahen Hackloches am Südwestrand von Riethnordhausen, vor.


Abb. 1: Blick aus der Luft auf das Untersuchungsgebiet, Foto: D. Stremke 20.06.1995

GPS-Koordinaten
N 51.4195° E 11.2156°

Beschreibung
In der Umgebung des Kyffhäusergebirges gibt es zahlreiche naturnahe Binnensalzstellen. Am bekanntesten sind die Salzstellen bei Artern und an der Numburg bei Auleben, wo u. a. natürliche Solquellen zur Versalzung des Bodens führten. Bei Hackpfüffel, im nahen Kachstedt und im Esperstedter Ried kommt die Salzanreicherung des Bodens wohl durch aufsteigende salzhaltige Grundwässer zustande (nähere Angaben zur Flora und Vegetation an allen naturnahen Binnensalzstellen Thüringens findet man bei PUSCH 1995). Schon vor etwa 100 Jahren wurden durch K. LEBING (vgl. ZEISING 1966) folgende Salzpflanzen zwischen Hackpfüffel und Riethnordhausen festgestellt: Strand-Wegerich (Plantago maritima), Gemeiner Queller (Salicornia europaea), Salzbunge (Samolus valerandi), Strand-Sode (Suaeda maritima), Gelbe Spargelerbse (Tetragonolobus maritimus) und Meerstrand-Dreizack (Triglochin maritimum). Ein Großteil hiervon fehlt heute im Untersuchungsgebiet gänzlich.

Heute ist aus floristischer Sicht besonders die kleine Salzwiese südlich der Straße Hackpfüffel - Riethnordhausen (Teilgebiet 1) bemerkenswert. Hier fanden R. HAND (Offenbach), B. RAAB (Regnitz) und weitere Teilnehmer einer Exkursion am 7. 6. 1992 mehrere Exemplare der seltenen Kleinblütigen Schwarzwurzel (Scorzonera parviflora, vgl. PUSCH & BARTHEL 1995). Bisher wurde Scorzonera parviflora neben den bekannten Fundorten in Sachsen-Anhalt auch in Thüringen im Esperstedter Ried, bei Bad Frankenhausen und an der Numburg bei Auleben festgestellt (vgl. BARTHEL & PUSCH 1993). Während im Jahre 1994 an der Salzwiese bei Hackpfüffel etwa 100 Exemplare von den Verfassern aufgefunden wurden, waren es im Jahre 1996 etwa 30 Exemplare. Als weitere Salzpflanzen wurden im Jahre 1996 hier festgestellt (vgl. auch Tab. 1): Strand-Milchkraut (Glaux maritima, etwa 1000 Exemplare), Salz-Binse (Juncus gerardii) und Triglochin maritimum (etwa 30 Exemplare), ferner Spieß-Melde (Atriplex prostrata), Gemeine Strandsimse (Bolboschoenus maritimus) und Einspelzige Sumpfsimse (Eleocharis uniglumis). Salz-Hornklee (Lotus tenuis) und Samolus valerandi, die im Jahre 1994 aufgefunden wurden, konnten 1996 nicht nachgewiesen werden.
An Salzwasser- und Salzboden-Gesellschaften (vgl. WESTHUS et al. 1993) wurde auf einer Fläche von wenigen Quadratmetern ein artenreicher Salzbinsen-Rasen (Juncetum gerardii (WARM 1906) NORDH. 1923) gefunden. Weiter nach Norden in Richtung Straße (Teilgebiet 4) schließen sich etwas ruderal beeinflußte Bestände der Rasenschmiele an, die vor Aufgabe der Bewirtschaftung möglicherweise einem Lückenseggen-Salzrasen (Deschampsio cespitosae-Caricetum distantis SCHUB. et MAHN 1962) zuzuordnen waren. Kennarten, wie Lücken-Segge (Carex distans) und Erdbeerklee (Trifolium fragiferum) fehlen heute in diesem Abschnitt. Auffallend sind die großen Bestände der Acker-Kratzdistel zwischen Salzwiese und Straße. Auch die Gemeine Quecke ist reichlich vertreten.
Eine weitere interessante salzbeeinflußte Wiese liegt zwischen Pappelhain und Riethnordhausen direkt südlich der Straße Hackpfüffel - Riethnordhausen (Teilgebiet 2). In Bodenvertiefungen, Trittstellen und Fahrspuren finden wir an mehreren Stellen Atriplex prostrata, Trifolium fragiferum, Lotus tenuis, Salz-Steinklee (Melilotus dentata), Gemeinen Salzschwaden (Puccinellia distans) und mitunter auch Graugrünen Gänsefuß (Chenopodium glaucum). Besonders an flachen Fahrrinnen nahe der Kleingartenanlagen am Westrand von Riethnordhausen (Fundstelle 3) ist Trifolium fragiferum deutlich präsent. Direkt am kiesigen Straßenrand (Fundstelle 7) wurde ein Exemplar der Rosen-Melde (Atriplex rosea) gefunden.
Die Wiesenbereiche nördlich der Straße (Teilbereiche 5) sind heute nur schwach salzbeeinflußt, als potentielle Halophyten-Standorte und Pufferzone aber von großer Bedeutung. Hier wurden im Jahre 1996 Atriplex prostrata, Bolboschoenus maritimus, Eleocharis uniglumis, Puccinellia distans (auf Wegen) und in einem Feuchtgraben (Fundstelle 6) erfreulicherweise etwa 100 Exemplare von Samolus valerandi nachgewiesen.
Auch vom nahegelegenen Hackloch am Südwestrand von Riethnordhausen (nicht in der Karte und nicht im eigentlichen Untersuchungsgebiet) waren Salzpflanzen bekannt. Hier wurden von K. WEIN vor Jahrzehnten noch Melilotus dentata, Plantago maritima und Triglochin maritimum gesehen (vgl. SCHEUERMANN 1954). Heute kommen auf den Wiesen am Rande der Schilfbestände im Umkreis des Hackloches nur noch Atriplex prostrata, Puccinellia distans und Salz-Teichsimse (Schoenoplectus tabernaemontani) vor, alles Arten, die auch auf salzarmen Böden anzutreffen sind. Erwähnenswert ist ein früherer Fund des Strand-Beifußes (Artemisia maritima) an einem Feldweg südlich von Riethnordhausen (vgl. KELLNER 1962).
Im Jahre 1996 wurden innerhalb des salzbeeinflußten Untersuchungsgebietes neben den zahlreichen bereits erwähnten, auch verschiedene andere Rote-Liste-Arten (RLST = Rote-Liste von Sachsen-Anhalt - FRANK et al. 1992 bzw. RLTH = Rote-Liste von Thüringen - WESTHUS & ZÜNDORF 1993) gefunden, so z. B. Breitblättrige Wolfsmilch (Euphorbia platyphyllos), Rauher Hahnenfuß (Ranunculus sardous), Roßfenchel (Silaum silaus), Breitblättriger Merk (Sium latifolium), Frosch-Binse (Juncus ranarius) und Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum). Einige hiervon weisen auch auf eine gewisse Salzbeeinflussung des Bodens hin (vgl. nachfolgende Tab.).

Tab. 1: Im Untersuchungsgebiet (Abgrenzung entspricht Kartenausschnitt) von PUSCH & BARTHEL im Jahre 1996 nachgewiesene, besonders bemerkenswerte Arten; Salzzahl nach ELLENBERG et al. (1991); RLST (FRANK et al. 1992); RLTH (WESTHUS & ZÜNDORF 1993)

Art, SippeSalzzahl
[von 0 bis 9]
im NSG
vorhanden
außerhalb
NSG
vorhanden
in Teilbereich,
bzw. Fundort
(siehe Karte)
RLSTRLTH
Atriplex prostrata var. salina
7
x
x
1, 2, 5, 6
-
-
Atriplex rosea
1
-
x
7
3
3
Bolboschoenus maritimus
2 (bis 6)
x
x
1, 2, 5, 6
-
-
Carex cuprina
1
x
x
1, 2, 4, 5
-
-
Ceratophyllum submersum
0
x
-
8
-
-
Chenopodium glaucum
3
-
x
2
-
-
Eleocharis uniglumis
5
x
x
1, 2, 5
-
3
Euphorbia platyphyllos
0
-
x
9
2
3
Glaux maritima
7
x
-
1
3
2
Juncus compressus
1
x
x
1, 6
-
-
Juncus gerardii
7
x
-
1
-
-
Juncus ranarius
4
x
x
8
3
-
Lotus tenuis
4
x (1994)
x
2
-
-
Melilotus dentata
2
-
x
2
-
2
Puccinellia distans
7
-
x
2, 5
-
-
Ranunculus sardous
1
-
x
2
3
2
Ranunculus sceleratus
2
-
x
2, 5
-
-
Samolus valerandi
4
x (1994)
x
6
2
2
Scorzonera parviflora
5
x
-
1
2
(0)
Silaum silaus
0
-
x
5
3
-
Sium latifolium
0
x
-
8
3
3
Thalictrum flavum
0 (bis 2)
-
x
6
3
3
Trifolium fragiferum
4
-
x
2, 3
3
-
Trifolium hybridum
0
x
x
2, 3, 4, 5
-
-
Triglochin maritimum
8
x
-
1
3
2

Gefährdung
Die kleine Salzwiese (Teilbereich 1) ist besonders durch weiteres Eindringen von Schilf (in nassen Bereichen) und die zunehmende Verqueckung (in trockeneren Bereichen) gefährdet. Zusätzlich ist sie durch die nahen Intensiväcker (Dünger, Biozide) bedroht. Eine weitere Ausbreitung der Acker-Kratzdistel ist zu befürchten. Sollte die Nutzung (bzw. Pflege) der kleinen Salzwiese und des anschließenden Wiesenabschnittes auch weiterhin unterbleiben, dann ist mit einem Verlust der interessanten Salzflora, einschließlich des Scorzonera parviflora-Bestandes, zu rechnen. Die noch verbliebenen Salzpflanzen der Wiesenbereiche (Teilbereiche 2, 3, 5 und 6) wären bei einer evtl. Aufgabe der Nutzung als Mähwiese bzw. Rinderweide bedroht. Eine Absenkung des Grundwasserstandes würde sich auf den gesamten salzbeeinflußten Bereich zwischen Hackpfüffel und Riethnordhausen fatal auswirken.

Schutz, Pflege und Entwicklung
Die kleine Salzwiese (Teilbereich 1) und der anschließende Wiesenabschnitt südlich der Straße (Teilbereich 4) gehören zum einstweilig gesicherten NSG ”Hackpfüffler See”. Auch die salzbeeinflußten Wiesenbereiche (Teilbereiche 2, 3, 5, 6) sollten in ein zukünftiges Naturschutzgebiet einbezogen werden. Ziel muß es sein, die noch vorhandene Salzflora und -vegetation auf Dauer zu erhalten, zu fördern und Ausweichflächen (besonders Teilbereiche 2 und 5) zu schaffen. Insbesondere von den in Sachsen-Anhalt gefährdeten Salzpflanzenarten sind überlebensfähige Populationen zu schaffen. Hierzu sind aus der Sicht der Verfasser folgende Maßnahmen notwendig:

  • Erweiterung des künftigen Naturschutzgebietes vor allem um die angrenzenden, salzbeeinflußten
  • Mähwiesenbereiche (Teilbereiche 2 und 5) zwecks Aufwertung der gesamten Binnensalzstelle bzw. Schaffung von Puffer- und Ausweichflächen. Eine zusätzliche Einbeziehung des Hackloches und dessen Umfeldes wäre sehr begrüßenswert.
  • Das eingedrungene Schilf südlich der kleinen Salzwiese (Teilbereich 1) ist durch frühzeitigen Schnitt (in der Vegetationsperiode, z. B. im Mai oder Juni) zurück-zudrängen.
  • Um eine weitere Verschilfung, Verqueckung und Ausbreitung der Acker-Kratzdistel zu verhindern, ist der gesamte Wiesenkomplex (Teilbereiche 1 und 4) in eine ein- bis zweischürige Mahd bzw. Beweidung mit Rindern einzubeziehen.
  • Die angrenzenden, intensiv genutzten Ackerflächen, sind in Extensivierungsprogramme (Ackerrandstreifenprogramm) einzubinden, um den Dünger- und Biozideintrag zu verringern.
  • Eine weitere Bewirtschaftung der salzbeeinflußten Gebiete (Teilbereiche 2 und 5) als Mähwiesen unter Beibehaltung der Rinderbeweidung ist unbedingt erforderlich.


Literatur
BARTHEL, K.-J. & PUSCH, J. (1993): Zum Vorkommen der Kleinblütigen Schwarzwurzel (Scorzonera parviflora JACQ.) im Esperstedter Ried (Landkreis Artern). Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 30(4): 101-102.

ELLENBERG, H., WEBER, H. E., DÜLL, R., WIRTH, V., WERNER, W. & PAULIßEN, D. (1991): Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. Script. Geobot. 18. 166 S.

FRANK, D., HERDAM, H., JAGE, H., KLOTZ, S., RATEY, F., WEGENER, U., WEINERT, E. & WESTHUS, W. (1992): Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen des Landes Sachsen-Anhalt. Ber. Landesamt Umweltschutz Sachsen-Anhalt 1: 44-63.

KELLNER, K. (1962): Floristische Neufunde, Bestätigungen und Veränderungen. B) Zur Flora von Nord-Thüringen. Wiss. Zeitschr. Univ. Halle, math.-nat. R. 11(2): 205.

PUSCH, J. & BARTHEL, K.-J. (1995): Über ein Vorkommen von Scorzonera parviflora JACQ. zwischen Hackpfüffel und Riethnordhausen (Landkreis Sangerhausen). Mitt. Florist. Kartierung Halle 20: 81-82.

PUSCH, J. (1995): Erfassung und Bewertung naturnaher Binnensalzstellen. Unveröff. Mskr. Botanische Studien und Naturschutzarbeit, im Auftrag der Thüringer Landesanstalt für Umwelt Jena.

SCHEUERMANN, R. (1954): Die Solstellen am Kyffhäuser und ihre Pflanzenwelt in Vergangenheit und Gegenwart. Ber. Naturhist. Ges. Hannover 102: 39-47.

WESTHUS, W., HEINRICH, W., KLOTZ, S. KORSCH, H., MARSTALLER, R. PFÜTZENREUTER, S. & SAMIETZ, R. (1993): Die Pflanzengesellschaften Thüringens. Gefährdung und Schutz. Naturschutzreport 6 (1 u. 2).

WESTHUS, W. & ZÜNDORF, H.-J. (1993): Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) Thüringens. Naturschutzreport 5: 134-152.

ZEISING, R. (1966): Die Pflanzenwelt des Kreises Sangerhausen. Heimat- und Wanderbuch des Kreises Sangerhausen. Halle (Akademischer Verlag): 62-75.

Anschriften der Autoren
Dr. Jürgen Pusch
Matthias-Schleiden-Weg 09
D-99102 Erfurt-Windischholzhausen
Klaus-Jörg Barthel
Am Frauenberg 13
D-99734 Nordhausen

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