Hier am ehemaligen Bahnhof Tettenborn waren in der Nacht zum 7. April 1945 26 Häftlinge Südharzer Konzentrationslager ermordet und flüchtig verscharrt worden.

Die Evakuierung des KZ Dora bei Nordhausen begann am 3. April 1945. Die Häftlinge verließen das Lager in großen Eisenbahntransporten, deren letzter am 5. April 45 spät in der Nacht abging. In etwa fünfzig, meist offenen Güterwagen hatte die SS rund 4000 Häftlinge, je achtzig bis hundert pro Waggon, aus allen Nationen Europas gepfercht. Dazu kamen noch etwa fünf weitere gedeckte Waggons für Verpflegung, Waffen, Munition und andere Ausrüstungsgegenstände der SS-Wachmannschaften samt rollendem Lazarett. Mit ungefähr 55 Waggons dürfte der Transportzug eine Länge von gut 600 Metern gehabt haben.

Von langen Stillstandszeiten unterbrochen, erreichte der Zug in der Nacht zum 7. April 1945 Tettenborn. Hier blieb er wieder einmal stehen. Die Lokomotive war mit einem größeren Maschinenschaden ausgefallen und wurde abgekuppelt. Warum der Zug für die 22 Kilometer bis zum Bhf. Tettenborn über 24 Stunden brauchte, ist ungeklärt. Hier auf dem Bhf. Tettenborn fand das erste größere Massaker an Häftlingen dieses Transportes statt. Ein damaliger Transportteilnehmer, der tschechische Häftlingsarzt Dr. Jan Cespiva sagte am 21. 8. 1947 als Zeuge der Anklage im KZ-Nordhausen-Prozeß aus:

"In der Nacht zwischen 2 und 3 Uhr hörte ich Schüsse. Ich schlief im ersten Waggon. Von den Schüssen wachte ich auf und ich hörte laute Rufe »Zugtüren verriegeln, Zugtüren verriegeln. Keiner verläßt den Zug!« Am Morgen danach kam der Lagerälteste zu mir und sagte, ich solle 40 bis 60 Schritt in den Wald gehen und einen Platz suchen, wo man jemanden begraben könne. Der Platz sollte trocken und keine Quelle in der Nähe sein. Der Transportführer schickte einen SS-Mann zu mir, und zusammen mit ihm suchte ich den Platz aus. Als ich zum Zug zurückkam, sah ich beim dritten oder vierten Waggon, von vorn gezählt, 26 Leichen aufgereiht liegen. Alle, die ich eigenhändig begraben habe, waren erschossen worden. Sie hatten Einschüsse. Da waren welche, die hatten Einschüsse im Bauch, Einschüsse im Kopf und auch welche mit verwundeten Gliedern. Sie waren durch Verbluten gestorben."

Was sich in dieser Nacht wirklich abgespielt hat, wird sich heute nicht mehr in allen Einzelheiten aufklären lassen. Für die Häftlinge, die die nächtliche Schießerei mitbekommen oder am Morgen danach die Toten gesehen hatten, war es keine Frage: Hier war ein Massenausbruch versucht worden, den die SS mit Waffengewalt niedergeschlagen hatte. Ehemalige SS-Angehörige, die im KZ-Nordhausen-Prozeß 1947 vernommen wurden, stritten ohne Ausnahme ab, überhaupt etwas von einer Schießerei, geschweige denn von Toten auf dem Bahnhof Tettenborn gehört oder gesehen zu haben.

Am 29. April 1960 wurde das Grab von Arbeitern des benachbarten Steinbruches entdeckt und gemeldet. Sie erkannten hier eingefallenes Erdreich und schürften einen menschlichen Kiefer frei. In den polizeilichen Feststellungen zur Exhumierung konnten zwar 26 Leichname gezählt, Spuren von Gewalteinwirkung nach den Obduktionen der Relikte aber nicht erkannt werden; sie seien an Erschöpfung gestorben, so die damalige Auskunft des Regierungspräsidenten in Hildesheim. Die 26 Opfer wurden später auf dem südniedersächsischen KZ-Friedhof in Holzen, Landkreis Holzminden, umgebettet.

Auf dem Grabstein dort steht:

Hier ruhen 26 Unbekannte eines Konzentrationslager-Eisenbahntransportes, im April 1945 zunächst bei Tettenborn, Landkreis Osterode im Harz bestattet.

GPS-Koordinaten
N 51.5765° E 10.5397°

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